Trauerkultur: mit jungen Leuten und ökumenisch

„Uns schickt der Himmel – 72 Stunden lang“ die Welt ein bisschen besser zu machen, mit diesem Wunsch wandte sich Frau S. von der katholischen Kolping Jugend telefonisch an mich. Ein bisschen lag Verzweiflung in der Stimme:
Eine Jugendgruppe hatte sich überlegt, Menschen bei ihrer Grabpflege zu unterstützen. Wenn jemand aus alters- oder finanziellen Gründen das Grab geliebter Menschen nicht mehr so pflegen kann wie eigentlich gewünscht, wollten 15 Jugendliche anrücken mit Spaten, Hacke, Harke und bepflanzten Blumentöpfen und die Gräber „in Schuss“ bringen. Super Idee!
Fand auch ich – leider hatte sich auf den Aufruf in der (katholischen) Öffentlichkeit des Erzbistums Hamburg niemand gemeldet, der Interesse an dieser Art von Unterstützung gehabt hätte.
Nach langer Planungsphase schien die Aktion kurz vor dem Aus. Frust lag in der Luft. Im gemeinsamen Gespräch verabredeten Frau S. und ich, sich von diesem Ansatz, konkrete private Menschen/Familien zu unterstützen, zu verabschieden und die verschiedenen Flächen der „Bestattungen von Amts wegen“ zum Ort der Aktion zu machen.
Das gute Gefühl eines persönlichen Hilfsdienstes wurde ersetzt durch einen Dienst an Menschen, die am Rande unserer Gesellschaft stehen, die nicht von lieben Menschen zu Grabe getragen werden, sondern von der Stadt Hamburg und den Kirchen. Auch wenn das persönliche Gegenüber
wegfällt, ist es nicht genau das, was Nachfolge im Sinne Jesus meint? Dass wir uns den am Rande Stehenden zu wenden? Auch, wenn wir sie gar nicht persönlich kennen?
Und auf diesen Grabfeldern gab es viel zu tun:
bei einer ersten Begehung von Frau S. mit Mutter, Tochter und mir wurde deutlich: hier werden die Jugendlichen wirklich gebraucht!
Der Frust wich der Vorfreude auf das Unterfangen
a) die Wiesen des Beziehungspfads „Fremde Nähe“ inklusive der Findlinge zu säubern und
b) die z.Zt. in Benutzung befindlichen Urnengrabwiesen mit ihren Wegen, Stelen und Namensschildern zu säubern und
c) den Hinz-und Kunzt-Gedenkbaum zu säubern.
Nach dem Säubern mit Harke und Wischtuch und dem Unkrautjäten wurden alle Grabfelder mit selbstgestalteten und bepflanzten Blumentöpfen verziert.
Die folgende Bildergalerie bezeugt das wunderbare Ergebnis!!
Ebenso die Worte von Ragna Saß, eine der verantwortlichen jugendlichen Organisator*innen. Sie schreibt ergänzend:
„Die Aktion der Kolpingjugend DV Hamburg begann am Donnerstag, den 23.05.2019 um 17.00 Uhr in der kath. Pfarrgemeinde St. Bonifatius Hamburg-Wilhelmsburg und endete am Sonntag, den 26.05.2019 um 14.00 Uhr in der kath. Pfarrgemeinde St. Paulus Hamburg-Billstedt. Insgesamt haben sich über diese vier Tage 28 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene daran beteiligt.
Am Donnerstag und Freitag war die Gruppe in Wilhelmsburg aktiv. Dort wurden auf dem Gelände der Pfarrgemeinde insgesamt 120 Blumentöpfe zum Teil selber gegossen, bemalt und bepflanzt. Am Freitag, den 24.05.2019 gegen 15.00 Uhr ging es dann mit den Pflanztöpfen auf den Friedhof Finkenriek, wo Privatgräber gereinigt und mit einem Blumengruß versehen wurden. Anschließend wurde der 2. Standort Wilhelmsburg aufgeräumt und das Material sowie die verbliebenen Blumentöpfe und Pflanzen nach Billstedt transportiert. Dort ging es am Samstag, den 25.05.2019 um 09.30 Uhr weiter. Nach einem kurzen Morgenimpuls ging es direkt auf den Friedhof Schiffbek, wo Kriegsgräber gereinigt und einige Kindergräber bepflanzt wurden. Zum Mittag ging es dann auf den Friedhof Öjendorf. Insgesamt wurden innerhalb der vier Tage 150 Pflanzen entweder direkt in die Erde oder in Blumentöpfe gepflanzt. Am Sonntag war dann Ruhetag. Die Gruppe traf sich um 10.0 Uhr in der Pfarrei St. Paulus Billstedt zum Abschlussgottesdienst. Anschließend wurde gegrillt, gemeinsam gegessen, gespielt sich ausgetauscht, viel gelacht und auch ein wenig erschöpft der Heimweg angetreten.
Es waren vier anstrengende, aber bereichernde Tage. Wir haben uns alle viel Gedanken gemacht, über die Menschen, die vor uns gelebt haben. Grabsteine wurden mit Interesse betrachtet, auch über die Arbeitsfläche hinweg. Die Gruppe hat viel Beachtung und Interesse gefunden.“

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Kommentare zum Beitrag

Stefan Stapel
am 6. November 2019 um 10:08 Uhr

Liebe Frau Pastorin Erler,
liebe Leserinnen und Leser,

eine sinnvolle und wunderbare Aktion, danke dafür und für die schönen Bilder!

Es erinnert mich an die Grabpflegenden des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die ihre Arbeit für Frieden und Völkerverständigung tun.

Ich wohnte mal 4 Jahre in Schwerin, der Heimat meiner Vorfahren väterlicherseits, dort sprach mich eines Tages ein Ehrenamtlicher dieses Vereins an, als ich im Einkaufszentrum Schlosspark Center an seinem Informationsstand vorbeiging.

Der Vater meiner Mutter, die aus Thüringen stammt, war 1944 im Krieg als Soldat im sogenannten Russlandfeldzug gefallen, sein genauer Grabort war uns aber nicht bekannt.

Durch einen Suchauftrag, den ich bei der Kriegsgräberfürsorge stellte (ich hatte mir Informationen meiner Mutter dazu geholt und das einzige Foto ihres Vaters, das sie hat -in Soldatenuniform- in Kopie dazugegeben), wurde ermittelt, in welchem Soldatengrab mein Großvater, der 29 Jahre jung war, als er starb, bestattet ist.

Heute heißt die Stadt, in der er liegt, Sowjetsk, südlich gelegen vom ehemaligen Tilsit im alten Ostpreußen (der berühmte Tilsiter Käse kommt dort her) und gehört heute zu Russland.

Es war bewegend für meine Familie und für mich, zu erfahren, wo der Vater meiner Mutter und meiner Tante begraben ist.

Ich war noch nie in Russland bei seinem Soldatengrab, es sind ja, man muss es wohl leider so sagen, Massengräberfelder, vor denen Tafeln mit den Namen der unzähligen Gefallenen stehen.

Aber meinen Großvater mütterlicherseits, den ich nie kennenlernen durfte, weil der Krieg ihn uns nahm, lange, bevor ich auf die Welt kam, mein Leben lang im Gedenken zu erhalten, ist mir wichtiger, als nach Russland an ein Massengrab zu fahren, so gut und vorbildlich diese Gräber von der Kriegsgräberfürsoge auch gepflegt werden.

Ich bekomme von der Kriegsgräberfürsorge regelmäßig Informationen mit Bildern von den Grabanlagen und kann die Arbeit dieses Vereins immer wieder nur loben und unterstütze sie auch mit gelegentlichen Spenden.

Freundliche Wünsche und Grüße

Stefan Stapel

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