„Ich habe euch eine Tür geöffnet, die niemand mehr schließen kann“ dieser Satz aus der Johannes-Offenbarung ist mir ins Herz gesprungen und soll heute Zentrum meiner Ansprache sein!„Ich habe euch eine Tür geöffnet, die niemand mehr schließen kann“ sagt Jesus Christus zu uns und das korrigiert damit unser Adventsgefühl.
Denn von Klein auf lernen wir, dass wir es sind, die im Advent die Türen öffnen: die Türen am Adventskalender z.B.!
Und in vielen Gemeinden öffnen die Erwachsenen abends ihre Haustüren, um davor lebendigen Advent zu feiern. Und gesungen haben wir auch, dass wir unsere Herzenstür öffnen wollen und sollen für Gott! Viele kleine Rituale begleiten den Advent, um unserer Sehnsucht Gestalt zu geben, dass es zwischen Gott und uns, zwischen uns und Gott eine offene Tür gibt!
Der Weg zum Heil möge frei sein! Doch die Tür muss von außen aufgemacht werden! !!!
Deshalb ist Advent die Zeit des Wartens, des sehnsüchtigen Erwartens: dass da einer von außen die Tür auf macht! „Ich habe vor dir eine Tür geöffnet, die niemand mehr schließen kann“ sagt Jesus Christus! Jesus als Türöffner zu Gott, der nicht nur den Weg für uns öffnet, sondern auch dafür gerade steht, dass die Tür nie wieder zu gehen kann!
Ein für alle mal: die Tür zu Gott ist offen! Für jedermann und jede Frau! Für Kind und Kegel!
Ich möchte von Dietrich Bonhoeffer erzählen….Viele von Ihnen werden ihn kennen, von ihm gehört haben, von diesem großen Theologen und Märtyrer des 20.Jahrhunderts. Dietrich Bonhoeffer war Pastor und im Widerstand zu den Nazis! Kurz vor Kriegsende ist er im KZ Flossenbürg umgebracht worden. Eine schreckliche Geschichte, eine tragische Geschichte: immer wieder gibt es Menschen, die für ihren Glauben einstehen und dafür Verfolgung, Gefängnis und sogar Tod riskieren. Und im Gefängnis hat Dietrich Bonhoeffer Briefe geschrieben, z.B. an seinen Freund Eberhard Bethge und im Advent 1944 schreibt er, „dass so eine Gefängniszelle genauso ist, wie die Adventszeit: man wartet darauf, dass die Tür von außen aufgeht!“
Sie kann nur von außen auf geschlossen werden! „Ich habe euch eine Tür geöffnet, die niemand mehr schließen kann“ sagt Jesus Christus.
Mit wie viel Sehnsucht mag man sich das wünschen, wenn man im Gefängnis sitzt?! Wie dringend ist dann diese Hoffnung! ?
Sie ist das Einzige, was einem Kraft gibt für jeden neuen Tag! Dieses Wissen: die Tür ist von außen aufschließbar und es wird einer kommen der die Tür aufschließt!“Ich habe vor dir eine Tür geöffnet, die niemand mehr schließen kann“.
Dietrich Bonhoeffer hat darauf vertraut: auch wenn Menschen ihn einsperren: der Weg zu Gott ist unversperrt!
Nicht jede und jeder von uns macht so dramatische Lebenserfahrungen wie Dietrich Bonhoeffer! Gott sei Dank wird man bei uns im Land nicht mehr wegen des eigenen Glaubens eingesperrt. Im Grundgesetz ist Religionsfreiheit garantiert!
Aber es gibt auch andere Erfahrungen von offenen Türen, die warm und beglückend uns gut tun und uns etwas vom Heil Gottes ahnen lassen!
Ich denke z.B. an die Zeit meiner Kindheit, wo ich abends beim Gute-Nacht-Sagen meine Mutter gebeten habe: „aber du lässt doch ein bisschen die Tür auf?“ Mit diesem Spaltbreit der offenen Tür ließ es sich getrost einschlafen! Ein heller Schein drang hindurch von den Lampen aus Wohnzimmer und Küche! Ein kleines Licht reicht ja schon und die Finsternis ist nicht mehr finster! (heute gibt es extra kleine Nachtlampen für die Steckdose, aber das gab es früher nicht)!
Jede Adventskerze zeugt davon: „Gott will im Dunkeln wohnen und hat es doch erhellt“ und seit meiner Kindheit, weiß ich wie ein kleiner Schichtschein alle Angst vertreiben kann. Und nicht nur das!
Durch die geöffnete Tür hörte ich das Gemurmel meiner Eltern im Gespräch oder auch nur ihren Fernseh-Abend.Und auch diese Geräuschkulisse hatte etwas ungeheuer Beruhigendes! Und die Vergewisserung: auch wenn ich die Augen schließe: ich bin nicht allein!!
Als Kind ein gutes Gefühl, das ich in der Erinnerung in mir hochrufen kann…..als Erwachsene sag ich diesen Satz im doppelten Wortsinn: auch wenn ich dereinst einmal für immer die Augenschließe, vertraue ich darauf: ich bin nicht allein!! Gott wartet auf mich, denn: „Ich habe euch eine Tür geöffnet, die niemand mehr schließen kann“ sagt Jesus Christus.
Aber Jesus Christus sagt an anderer Stelle auch, dass wir ihm nachfolgen sollen: also was hat dann seine Türöffnung für Folgen für unser Leben?
Welche Türen sollen wir einander offen halten? Und damit meine ich nicht die alte Höflichkeitsregel, dass ein Mann einer Frau die Tür auf hält!
Wenn auch ich Jesus nacheifern will im Türen öffnen, muss ich erst einmal überlegen: welche Türen sind denn zu in meinem/unserem Leben?
Gibt es solche Gefängnistüren auch noch im übertragenen Sinn? Und mit diesen Fragen bin ich mitten drin in so mancher gesellschaftlichen Debatte:
- ob es um Inklusion geht, um das selbstverständlich gemeinsame Zusammenleben von Menschen mit und ohne
Handicap, oder - ob es um Integration geht, um das genauso selbstverständliche Zusammenleben von Menschen mit
unterschiedlicher Hautfarbe, Religion, Herkunft - ob es um Rehabilitation geht, um das erneute gute Zusammenleben mit Menschen, die in Gefängnisstrafe
abgesessen haben - oder ob es auch um Türen geht, die gar nicht senkrecht imRaum stehen und uns so voneinander trennen, sondern
gewissermaßen um liegende Türen: - seit Jahren sprechen Frauen, die beruflich voran kommen wollen, von der „gläsernen Decke“, die es irgendwie
unmöglich macht in die Welt der männlichen Leitungsebene vor zu stoßen.
Jesus macht ja die Tür von außen auf und vielleicht ist genau das die Aufgabe von Kirche als Institution, sich diesen Türen anzunehmen und zu helfen, sie von außen zu öffnen! Die Menschen, die sich von innen an diesen Türen stoßen, die sind schon belastet genug. Eine hilfreiche, solidarische Kirche an ihrer Seite zu erleben, wär‘ das nicht eine tolle Erfahrung ?!!
Das Türen-öffnen ist immer gemeinsame Aufgabe. Es heißt nicht, dass ich als Individuum immer für alle und alles offen sein muss, über meine eigenen Grenzen gehen muss und mich nie zurückziehen darf in das, was mir Kraft gibt. „Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht“ heißt ein etwas sarkastisches Sprichwort, das aber den Nagel auf den Kopf trifft! Auch Jesus hat sich zurückgezogen in die Wüste, um Kraft zu tanken, um zu beten, um dann wieder Türen für uns öffnen zu können. Nachfolge heißt auch, um diese Balance zu wissen, sich nicht zu verausgaben, sondern auf sich zu achten, und dennoch wachsam zu sein für diejenigen, die „draußen vor der Tür“ sind.
Damals in dem gleichnamigen Theaterstück von Wolfgang Borchert waren das die versehrten, traumatisierten Kriegsheimkehrer. Heute sind das vielleicht die wohnungslosen Menschen, die auf unseren Straßen und Plätzen erfrieren oder auch die, die innerhalb der beiden großen Kirchen zu Missbrauchsopfern wurden.
Es gibt sooo viel Not: eingesperrt hinter verschlossenen Türen und ausgestoßen draußen vor verschlossenen Türen!
Da tut es gut, dass Jesu Wort uns erreicht in diesem Advent, dass Jesu Wort an unserer Herzenstür rüttelt, damit wir nicht nur die Türen am Adventskalender öffnen und von hoch gemachten Türen und weiten Toren singen, sondern dass wir anfangen auch in unserem Leben verschlossenen Türen zu öffnen!! Und das alles aus der Freude heraus, dass Jesus Christus uns verspricht: „Ich habe euch eine Tür geöffnet, die niemand mehr schließen kann“ Amen.