Eine merkwürdige Mail erreicht mich. Auf Englisch. Mit einem Absender, den ich nicht kenne und der eher italienisch klingt. Auf >antworten< mag ich nicht klicken: was wenn’s eine pishing-mail ist? Also ruf ich die Handynummer an und lande bei Luca, der in Berlin Kunst studiert, sich für Trauerkultur interessiert und für eine Ausstellung in Bologna eine Kunstinstallation vorbereitet.
Er interessiert sich für Verstorbene ohne Angehörige, genauer noch für verstorbene unbekannte Menschen.
Die gibt es auf Öjendorf nicht.
Dennoch verabreden wir uns, er kommt nach Hamburg und wir verbringen einen Tag gemeinsam auf dem Friedhof.
In seiner Heimat gibt es unbekannte Tote auf dem örtlichen Friedhof. Ihre Gräber werden von Menschen aus dem Dorf, Frauen zumeist, liebevoll gepflegt und „begärtnert“.
Dieses Engagement interessiert Luca, bzw. die Energie, die sich darin entfaltet.
Die möchte er künstlerisch umsetzen, ihr ein Gesicht geben, einen künstlerischen Ausdruck (www.lucavanello.com).
Ich bin nicht sicher, ob ich alles versteh, was in seinen künstlerischen Gedankengängen so vor sich geht, aber ich bin beeindruckt, ob seiner tiefen Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit und Trauerkultur, Menschenwürde und Respekt vor unbekanntem Leben.
Die Küstenfriedhöfe Norddeutschlands fallen mir ein, wo unbekannte, angespülte Seeleute bestattet sind.
In der Pflege dieser Gräber an unseren Küsten genauso wie im fernen Italien offenbart sich tiefste Humanität: fremde Schicksale werden nicht sich selbst überlassen, sondern mit hineingenommen in den selbstverständlichen Respekt vor den Toten. Werden hineingenommen in die jeweils üblichen Trauer- und Bestattungsrituale. Grabpflege erweist sich hier in einer Dimension, die weit über das Private hinausgeht. Trauerkultur im öffentlichen Raum, die mein Herz tief berührt.