Mein Name ist Sabine Erler und seit 2015 bin ich auf einer besonderen Projektpfarrstelle „Pastorin für Trauerkultur“ in der Propstei Wandsbek-Billetal in Hamburg.
Mitten in dieser Propstei (kirchliches Wort für Region oder Bezirk oder Gebiet) liegt der große staatliche Friedhof Öjendorf.
Hier liegt ein Schwerpunkt meiner Arbeit, der andere sind die Gemeinden und kirchlichen Friedhöfe in diesem Bereich Hamburgs.
Genau heißt mein Projekt:
Trauerkultur im Wandel – neue Wege kirchlichen Redens und Handelns auf dem Friedhof
Projekt, das sagt es auch schon: ich darf und soll ausprobieren, neue Formate und Ansätze entwickeln, auch mal unbekanntes Terrain betreten! Gucken, was geht.
Ich mache mir „Gedanken zum Gedenken“ und wo möglich, folgen diesen Gedanken auch Taten.
Wie Gedankensplitter sind auch die kleinen Erlebnisse, Erfahrungen und Episoden meines Alltags als Pastorin, die diesen Blog ausmachen werden! Sie sollen anregen, zum Schmunzeln bringen, Widerspruch hervorkitzeln, nachdenklich stimmen oder…oder…oder…..
Wichtig ist mir, einen Beitrag zum Gespräch zu leisten: Leben auf dem Friedhof zu gestalten und das Thema Tod immer wieder ins Alltagsleben zu holen.
Trauerformen, die neuen und die alten, Gedenkkultur im öffentlichen Raum, der Umgang mit unseren Toten, all das kann, darf und muss offen besprochen werden können. Tod und Trauer dürfen keine Tabus sein, sondern gehören mitten ins Leben!
Dadurch unterscheidet sich der Mensch vom Tier: dass er um seine Endlichkeit weiß! Tiere trauern auch, manche spüren auch ihr Ende und ziehen sich zum Sterben zurück (Elefantenfriedhof), aber bewusst leben mit dem Wissen: ich werde einmal sterben, das tut nur der Mensch! Jede und jeder setzt sich irgendwie damit auseinander:„wo komm ich her?“ und „wo geh ich hin?“.
Das ist die Geburtstunde von Kultur und Religion.
Das führt mitten in mein Projekt und deshalb ist es mir so wichtig!
Kommentare zum Beitrag
Christel Woth-Bielfeld Blogautorin
am 5. November 2018 um 08:35 Uhr
Per Zufall diesen Blog entdeckt und nutze ihn um Ihnen und euch von meinem Trauerweg und vom Wiederfinden neuer Gefühle zu berichten,weil ich weiß und hoffe,daß es hilfreich sein kann.Vor genau 30 Jahren starb für uns völlig unvermittelt unser gerade geborener Sohn,nach einem Herzfehler.Freude und Trauer lagen so dicht beieinander,dass ich es nicht innerlich realisieren konnte ,und ich weiß noch,wie ich mich als Zombie gefühlt habe,als ich durch die schon weihnachtlich geschmückte Innenstadt ging und nicht wusste wohin.Per Zufall las ich an der Petri Kirche die Einladung vom Seelorgezentrum und erinnerte mich vor Jahren die anonyme Jugendberatung dort mitgegründet zu haben.Ich traute mich und ging über die Schwelle ,und heute weiß ich dass das der Schritt in ein anderes Leben und Bewusstsein war.Ich bekam die Kontaktdaten der verwaisten Eltern und spürte echte Anteilnahme und sowas wie Aufgehobensein.Dann zog es mich geradezu zu den verwaisten Eltern, d i e alle gleiches erlebt hatten. Hier konnte ich Trauer leben, was mir in der normalen Welt nicht gelang.So viel geweint,wie in diesen Gruppen,habe ich nie mehr.Und ich bemerkte dann meine Talente und Ressourcen, indem ich anderen Mut zusprechen konnte und Empathie zeigen konnte.Bei mir wuchs eine Ahnung,was ich durch den Tod meines Sohnes für mich noch lernen soll.Dann wurde ich nochmal schwanger,diesmal mit Zwillingen.Leider haben sie es auch nicht geschafft, und ich wäre fast daran gestorben,bin es aber nicht und hatte seitdem immer das Gefühl:ich lebe für meine Kinder weiter und gebe das weiter,was mich tröstet und was mich trägt.Seitdem hat sich mein Leben grundlegend geändert.Vorher war ich Macherin und Vorturnerin in der Jugendarbeit und hatte immer eine große Gruppe vor mir ,und es ging immer um den Grupoenprozess, weniger um die Gefühle einzelner.Ich sattelte um,machte eine Trauertherapieausbildung, sowie Seelsorge und Systhemische Ausbildung und irgendwann machte ich den Heilpraktiker für Psychotherapie und eine Märchentherapieausbildung. War dann jahrelang Seelsorgerin in Hamburg und bei den verwaisten Eltern.Viele fragen mich,wie kannst du so viel Leid von anderen aushalten? Und ich sage dann,weil ich gelernt habe,wie ich mein Leid aushalten kann. Das gibt mir Kraft und mein Gottvertrauen hilft mir mich zu ordnen und in der Waagschale zu halten.Was ich erfahre täglich:Trauer und Freude Zuversicht und Hoffnungslosigkeit liegen dicht beieinander.Ich erlebe es täglich als großes Geschenk daran teilhaben zu dürfen und es gibt dem Leben Tiefe. Ich bin nicht mehr die gleiche,wie vor 30 Jahren.Ich lebe intensiver und bin dankbar Nun bin ich berentet und lebe in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein. Ach ja,ich habe noch eine Tochter bekommen, die heute 27 Jahre alt ist.Wer mit mir in Kontakt treten möchte,kann über Sabine Erler sicher meine Daten erfragen.Ich würde mich freuen. Christel Bielfeld
Elisabeth Kaiser
am 11. November 2019 um 13:27 Uhr
Erstaunlich, der Beitrag von Frau Bielfeld! Habe ihn mit Interesse gelesen.
Ich habe schon viele Führungen auf dem Ohlsdorfer Friedhof mitgemacht; da wohne ich in der Nähe. Den Öjendorfer Friedhof habe ich erst später kennengelernt und es ist eine willkommene Bereicherung für mich, hier etwas andere Führungen mitmachen zu können, die Pastorin Erler anbietet. Trotz meiner Gehbehinderung nach Fahrradunfall (übrigens auf dem Ohlsdorfer Friedhof passiert)ist es mir möglich, mit dem Rollator mitzuhalten. Dafür bin ich auch dankbar. Es ist ein sehr schöner Friedhof, und in Gemeinschaft entsteht eine besondere Atmosphäre. Die Themen berühren mich sehr. Als Katholikin, die dem protestantischen Glauben sehr offen gegenüber steht, haben mich Worte von Martin Luther sehr berührt, die die Pastorin vorgelesen hat. Er schrieb den „Sermon von der Bereitung zum Sterben“ mit 20 Punkten, über die man auch in der heutigen Zeit nachdenken kann. Der Friedhof inmitten der lieblichen Natur schafft eine wunderbare Brücke zwischen Diesseits und Jenseits.
Schade dass die Pastorin bald in den Ruhestand gehen wird.