Joanna erfror auf einer Parkbank vor dem Tibarg Centre – diese Schlagzeile in verschiedensten Zeitungen geht im Oktober 2018 den Hamburgerinnen und Hamburgern unter die Haut. Posthum bekommt Joannas Leben traurige Berühmtheit: sie ist die erste Kältetote dieses Winters! Was heißt Winter: Nach einem sehr langen und sehr warmen Sommer schien der Herbst irgendwie auszufallen. Stattdessen kamen überraschend die ersten kalten Nächte Ende Oktober und Joanna war dem schutzlos ausgeliefert. Die Vorbereitungen für das Winternotprogramm waren gerade erst in Gang gekommen. Der Klimawandel ist in aller Munde: erst der lange warme Sommer, dann so gar kein richtiger Herbst, sondern gleich kalte Nächte. Da liegt es nahe, den Klimawandel für Joannas Tod verantwortlich zu machen. Aber das ist mir zu schräg: die Wohnungslosigkeit ist verantwortlich für ihren Tod! Sie hatte kein Dach über dem Kopf, obwohl das ein Menschenrecht ist! Sicherlich : sie war alkoholkrank, aber die Wärme von Schnapps ist eben keine Wärme, sondern Betäubung, die einen dann auch die Kälte nicht richtig spüren lässt. Neben Joanna schlief Robert, ihr Freund. Morgens wacht er neben seiner toten Freundin auf: was für ein Grauen. Am Ewigkeitssonntag schließen wir Joanna und 2 andere Kältetote in unsere Fürbitten mit ein. Allmählich verschwinden die Kältetoten aus der veröffentlichten Wahrnehmung, die Stadt kehrt zum Alltag zurück.
Im Januar bekomme ich einen Anruf: die Hinz&Künztler wünschen sich für Joanna eine „Bestattung von Amts wegen mit Begleitung“. Ob ich sie auf ihrem letzen Weg begleiten würde. Das mache ich gern. Im Gegensatz zu den Bestattungen von Amts wegen ohne Begleitung (siehe I+II) dienstags früh mit 30 Urnen gibt es auch noch Grabfelder für einzelne Urnenbestattungen. Da darf man „mitgehen“: Freunde, Bekannte, mit Pastorin oder ohne, mit selbstgemachtem Ritual, eigener Rede, mit Blumen und anschließender Stein-Setzung, kann dieses kleine Grab als Ort der Trauer gepflegt und besucht werden! Das geschieht zahlreich! Und nun auch mit Joannas Urne. Eine ganz schön große Trauergemeinde ist beisammen: Hinz&Künztler, Mitarbeitende und Verkaufende, Freunde vom Platte-machen, Joannas Patentante, 2 Schwestern vom Haus Bethlehem vom Orden der Mutter Teresa und natürlich Robert. Seit Joannas Tod hat er keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt. Er ist schwer erschüttert: wer wäre das nicht, wenn er morgens neben der toten Freundin aufwachte?! Ob Joannas Tod für ihn zum Neuanfang werden kann? Ich merke, dass ich auf der Suche bin nach einer Wendung hin zu etwas Sinnvollem. Vielleicht gibt es nächsten Winter mehr Container für wohnungslose Menschen. Eine neue kleine Unterkunftssiedlung mit dem Namen „Joanna“! Zum Gedenken an sie. Das hätte sie verdient. Immerhin: gleich nach ihrem Tod sind die Bemühungen um einen Kältebus ordentlich in Schwung gekommen und ein paar Wochen später fährt er spendenfinanziert ehrenamtlich betreut durch die Straßen Hamburgs und kann von 19.00 bis 24.00 Uhr gerufen werden, wo immer ein Mensch auf der Straße Hilfe braucht: 0151 – 65683368. Sofort speichere ich die Nummer in mein Handy ein.